24. Juni 2019

Das frühmorgendliche Fotoshooting mit allen Ausreisewilligen vor dem russischen Grenzaustritt war ja noch ganz lustig. Doch was dann folgte, waren 7 Stunden zermürbendes Warten auf hyperaktive Grenzsoldaten auf der mongolischen Seite. Wir Motorradfahrer standen alle ganz vorne in der langen Schlange. Doch das lies die Grenzer völlig kalt. Erst die Tanklastzüge und Reisebusse, dann andere Drängler mit ihren PKWs wurden vorgelassen. Dann endlich waren wir an der Reihe. Dieses ständige vorzeigen der Reisepässe und Fahrzeugpapiere, das endlose Warten auf irgendwelche Stempel. Und wehe da fehlt ein Stempel! Man wird hier hin und her geschickt, um alle wichtigen Stationen zu durchlaufen. Nur wenn eine Station nicht besetzt ist, kann man diese auch schnell übersehen und schwuppdiwupp, fehlt ein Stempel! Dann heißt es bei der nächsten Stempelkontrolle wieder hinten anstellen.

Ich kam zum Glück reibungslos durch, erkundigte mich aber nach jeder Station 2x was als nächstes zu tun ist. Das Sinnloseste war die Gepäckkontrolle. Alle Gepäckstücke waren zu öffnen. Das war trotz meiner zahlreichen Taschen nicht so schlimm, nur das anschließende Verzurren war recht langwierig und nervig. Das Ganze immer nur, damit die Grenzer einen flüchtigen Blick hinein werfen und somit ihre Pflicht erfüllten. Ja Hallo! Was soll das? Hab ich Rauschgiftpakete, Waffen oder Leichenteile oben auf meinen Gepäckstücken liegen? Oder überhaupt irgendwo versteckt? Schaut mir in die Augen und lasst diese Pseudokontrolle.

Und als sich der letzte Schlagbaum öffnete, wurde man von zwielichtigen Versicherungsverkäufern und Geldwechslern umringt. Da waren echte Zweifel angebracht, ob man hier nur über den Tisch gezogen wird. Aber eine gültige Haftpflichtversicherung fürs Fahrzeug kann einem unter Umständen vor einem größeren finanziellen Schaden bewahren. Deshalb lässt sich fast jeder auf deren Versicherungs-Angebote ein.

Hallo ihr AFD-Wähler, es mag sein, dass ihr niemals eure Dörfer der geliebten Heimat verlasst, aber wenn, dann wünsche ich Euch eben diese Erfahrung zu machen. Ihr werdet das grenzenlose Europa lieben lernen!

Zusammen mit dem türkischen GS-Fahrer brauste ich in Richtung Ölgi los. Der Kollege wollte binnen zwei Tage in Ulaanbaatar ankommen und war nach wenigen Minuten trotz der Sicht bis zum Horizont schnell aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich lies es gemütlicher angehen, denn zusammen mit den anderen Bikern wollten wir gemeinsam in Ölgi ein Hotel beziehen. Als Dankeschön für die leckeren Spaghetti vom Vorabend besorgte ich für jeden 2 Dosen Willkommensbier, das wir nach Ankunft aller im Hotel Sky genossen. Gemeinsam spazierten wir noch zu einem türkischen Restaurant. Das war ausgesprochen lecker und spotbillig. Anschließend noch mongolische Geldscheine am Automaten besorgt und der Abend war für mich schnell zu Ende.

25. Juni 2019

Wieder einmal, wie während der gesamten Reise, wachte ich sehr früh auf. Meist noch vor dem Sonnenaufgang bzw. vor 5:00Uhr. Nur selten gelingt es mir nach dem ersten Toilettengang wieder einzuschlafen. An diesem Morgen gab es allerdings einen Stromausfall. Nicht nur im Hotel, sondern in der ganzen Stadt brannte kein Licht. Kein Strom bedeutet in der Mongolei auch kein Wasser, denn das Wasser wird in die Stockwerke gepumpt und kommt nicht wie bei uns über Druckleitungen. Mir war sofort klar, dass es somit auch kein gemeinsames Frühstück im Hotelrestaurant geben wird. Also gab es auch keinen Grund hier länger zu warten. Meine Dose Schweppes und ein paar Erdnüsse sollten als ersten Magenfüller ausreichen.

Die 3 GS-Fahrer Konrad, Franz und Helmut waren auch bereits auf und bepackten ihre Motorräder. Ich verabschiedete mich noch und fuhr alleine los. Ein späteres Treffen in Ulaanbaatar war durchaus möglich (und auch erfolgt), nur unsere Routen waren unterschiedlich. Mein Glück war es, dass meine Triumph bereits am Vorabend vollgetankt wurde. Denn ohne Strom gibt es eben auch kein Benzin.

Die Fahrt ging locker los. Auf den ersten Kilometern fragte ich mich allerdings selbst, warum die Mongolei? Diese endlosen mit kurzem Gras bewachsenen Ebenen und abschnittsweise mit sanften Hügeln überzogene Landschaften. Unzählige Mengen an Weidevieh - überall - auch an den Straßenrändern und auf den Straßen. Ziegen, Kühe, Pferde und Jacks so weit das Auge reicht. Berittene Hirten, mal zu Pferd und mal auf chinesischen 150ccm Motorrädern unterwegs, mal alleine, mal mit der ganzen Familie besetzt, zogen sie über die Weideflächen. Und überall Jurten, die als weiße Tupfer im satten Grün bereits von weitem deutlich auszumachen waren.

Das Wetter war optimal, trocken nicht zu heiß und nur locker bewölkt. Die Straße war perfekt geteert. Nach rund 150km kam ich an eine Gabelung und einen Abzweig mit einer Straße in Richtung Norden. Diese Route hatte ich mir noch im Hotel vor der Grenze auf meine Karte und in meine Navigation übertragen. Die Streckenführung sollte ein Geheimtipp sein und an einem schönen See entlang führen.

Für meine Navigation erstellte ich an jeder Abbiegung einen durchnummerierten Punkt, den ich nun Step by Step abfahren wollte. Angeblich sollte diese, noch als unbefestigte Straße in den Karten eingezeichnete Route, frisch geteert und gut fahrbar sein. Naja, gleich nach dem Abzweig wurde ich eines Besseren belehrt. Trotz eines aktiven Bautrupps, der mich freundlich grüßte, wurden schnell Erinnerungen an Usbekistan wach. Die Straße zog sich über weite, teils sumpfige Gebiete und war ziemlich marode. Sie bot einige Überraschungsmomente in Form von heftigen Schlaglöchern.

In der zweiten Ortschaft, rund 40km nach dem Abzweig, gab es eine Tankstelle. Doch welch Überraschung, die war verschlossen und kein Tankwart weit und breit zu sehen. Mhhh!?! Auch die nächste Tankstelle in unmittelbarer Nachbarschaft schien herrenlos zu sein. Was nun? Sobald man stand und keinen Fahrtwind abbekam wurde es schnell heiß in den schwarzen Klamotten. Am liebsten hätte ich mir meine Motorradjacke ausgezogen, doch sie bot Schutz vor den übergroßen Pferdebremsen mit den fiesen giftgrünen Augen, die einen zu hunderten umkreisten und blutreiche Landeplätze suchten.

Erst einmal einen Snickers verdrücken, bevor man hier zur Diva wird. Dann brauste ein Lada Geländewagen an mir vorbei und hielt an der benachbarten Tankstelle. Zwei Männer sprangen heraus, schlossen das Kassenhäuschen auf und verschwanden darin. Na endlich, dachte ich mir so und rollte meine Triumph dort vor die Zapfsäule.

Wie üblich, zahlt man in all den Stan-Ländern vorher einen Betrag X und tankt anschließend. Den verbleibenden Restbetrag bekommt man dann rückerstattet. Doch die Männer wollten kein Geld. Sie standen ratlos vor einem Stromverteiler-Kasten und schlossen diesen anschließend mit einem deutlichen Kreuzen der Arme, was soviel heißen sollte wie, kein Strom, also auch kein Benzin! Na Prima! Weiterfahren machte keinen Sinn und auf Strom warten, das war mir zu ungewiss.

Ich änderte meinen Plan und kehrte mit meinen noch für rund 60km verbleibenden Sprit wieder zurück zur Hauptroute durch die Mongolei, auf die Fernstraße in Richtung der mongolischen Stadt Altei. Der Bautrupp grüßte mich auch ein zweite Mal recht freundlich. Einige Kilometer weiter erreichte ich zum Glück doch noch eine Ortschaft mit Strom und somit auch funktionierenden Tankstelle. Ok, jetzt hatte ich wieder genügend Reichweite um doch noch auf der Route Richtung Norden weiter zufahren. Also wieder zurück, am Bautrupp vorbei, nur noch vereinzelnd blickte ein Bauarbeiter zu mir auf.

Doch mir unterlief ein folgenschwerer Fehler bei der Navigation. Anstatt wirklich Punkt für Punkt der Kreuzungen anzufahren, übersprang ich einfach zwei Punkte in meiner Navigation, was unbemerkt zu einer komplett anderen Routenberechnung führte. Und diese ging durch ein riesiges, sandiges und wüstenähnliches Gebiet ohne einer eindeutig erkennbaren Wegführung. Vielmehr bestand diese Route aus unzähligen Einzelspuren, die an eine Gleisführung erinnerte, wie sie an einem zentralen Güterbahnhof zu finden ist. Es ging einfach in alle Richtungen. Je tiefer ich in dieses Gebiet eintauchte, desto unheimlicher wurde mir das Ganze. Ich wusste ja zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich hier völlig falsch unterwegs war.

Meinen Hauptkurs richtete ich an den langen Staubfahnen der wenigen SUVs aus, die mit mir in dem Gebiet unterwegs waren. Meine Hoffnung war, dass die den richtigen Weg wenigstens kennen. In der Entfernung war eine Stromleitungstrasse auszumachen. Nach meiner Einschätzung, befand sich parallel dazu endlich die geteerten Straße.

Meine Motivation war groß und ich fühlte mich mal wieder wie Steve McQueen, der auf seiner Triumph durch die Wüste ritt. Die kleine Engländerin lässt sich auf dem weichen sandigen Untergrund super zügig bewegen. Doch dann erreichte ich die Stromtrasse. Das war wohl nichts! Nichts mit Teer, nichts mit Straße, ganz im Gegenteil! Der Weg schrumpfte zu einem etwas besseren Trampelpfad und führte zwischen einer Art Schilfgras hindurch. Der genaue Blick auf die Karte offenbarte dann meinen Fehler. Die richtige Route führte viel weiter westlich um dieses wüstenähnliche Gebiet herum. Durch das Auslassen zweier Wegpunkte nahm die Navigation quasi eine Abkürzung, die aber nicht fahrbar war.

Also gab es erneut eine Plan-Änderung, die Dritte. Das ganze wieder zurück und nun wirklich auf der Fernstraße in Richtung der Stadt Altei fahren. Sicher ist sicher. Und ja, es hat dennoch Spaß gemacht. Die kritischen Stellen und das Verhalten der Maschine auf diesem sandigen Untergrund war nun bekannt. Also wurde richtig Gas gegeben und es ging wieder Richtung Süd-Osten. An der Stelle wo der Bautrupp immer noch seiner Arbeit nachging, hatte ich 200km mehr auf dem Tacho und fast wieder einen leeren Tank. So wie der Bautrupp, zog nun auch der Tankwart vom Vormittag seine Stirn in Falten, also würde er sich Fragen, was macht dieser verkappte Steve McQueen denn schon wieder hier?!?

Mit reichlich Rückenwind und stets getrieben von einer Gewitterfront erreichte ich schließlich kurz vor der Dunkelheit die Stadt Altei. Ich war so platt wie lange nicht mehr. Aber irgendwie auch glücklich die heutigen 860km schadlos überstanden zu haben. Ein Hotel war schnell gefunden, sogar mit Garage für die Triumph und funktionierenden Wasserkocher auf dem Zimmer. So kochte ich mir noch zur Stärkung eine meiner aus Deutschland mitgebrachten Asiasuppen. Diese gibt es hier übrigens auch in jedem Supermarkt zu kaufen. Auch der nächste Morgen schien gerettet. Es lag neben zwei Teebeuteln noch ein Päckchen 3in1 löslichen Kaffee auf meinem Nachtschränkchen. Schnell noch alle Stromfresser an die Ladekabel angeschlossen und die erholsame Nacht konnte kommen.

26. Juni 2019

Nach dem gestrigen, sehr anstrengenden Tag hatte ich heute keine Lust auf Schotterwege oder schlechte Straßenverhältnisse. Hinzu kam, dass mir seit der Grenze eine Zerrung unter dem Schulterblatt zu schaffen macht. Diese bekam ich durch das Hochheben eines kleinen dicken mongolischen Jungen, der unbedingt ein Foto sitzend auf meinem Motorrad haben wollte. Hätte ich vorher gewusst, dass man mit nur 1,45cm auch schon gefühlte 80kg wiegen kann, ich hätte den Vater um Hilfe gebeten. Das ständige Tragen meines relativ schweren Rucksacks half nicht unbedingt, diese Schmerzen loszuwerden.

Mein Plan war es, von Altei weiter Richtung Norden zu fahren. Doch nach wenigen 100Metern kam ich an die betreffende Kreuzung, an der es in alle Himmelsrichtungen ging. Doch nur eine Ausrichtung war geteert - die in Richtung Osten. Die Straße in Richtung Norden war wieder einmal nur ein Schotterweg und mit deutlich erkennbarem Waschbrett-Wellen. Ob es dann später in Teer übergeht, steht ja nirgends angeschrieben.

Aber genauso steht es nirgends geschrieben, dass die Teerstraße irgendwann in eine Großbaustelle mündet. Auch als ich eine Art Tempel auf einem Hügel entdeckte, ahnte ich noch nicht, wie anstrengend dieser Tag verlaufen wird.

Nachdem ich mir die Huldigung berühmter Pferde und Krieger angeschaut und ein paar nette Fotos geschossen hatte, fuhr ich gut gelaunt weiter. Doch dann das jähe Ende der bequemen Teer-Straße. Eine Großbaustelle tat sich auf, die sich auf über 180 staubige, hügelige, waschbrettartige Kilometer in Richtung Osten erstreckte.

Es lässt sich das Gefühl nur schwer beschreiben, wenn man mit Blick zum Horizont unzählige Staubfahnen kreuz- und quer durch die Landschaft ziehen sieht und genau weiß, dass man in 20 bis 30 Minuten auch an diesen Stellen ankommt. Gleichzeitig aber vergeblich hofft, dass es hinter dem Horizont wieder auf normalen Straßen weiter geht. 180km hartes Offroad-Gelände zeichnen sich durch unzählige zerfetzte Reifen-, Karosserie- und Fahrwerksteile, sowie liegen gebliebener PKWs und LKWs aus.

Hier lang zu fahren ist immer mit einem mulmigen Gefühl verbunden, dass sich irgend ein scharfes Eisenteil oder die Scherbe einer Wodkaflasche durch die eigenen Reifen bohrt und man mit Sicherheit ein neues unangenehmes Abenteuer erleben wird.

Und dann mag man es kaum Glauben, kommen einem auf solchen Strecken normale Reisebusse besetzt mit Fahrgästen entgegen, oder man überholt Sattelzüge die einen ganzen Reisebus aufgeladen haben und sich im Schneckentempo über dieses unwegsame Gelände quälen. Wie lange die wohl brauchen werden um am Ziel anzukommen? Ein Zeugnis für den Knochenjob der Trucker sind die vielen am Wegrand liegenden und geleerten Wodkaflaschen. Die Anzahl gleicht ungefähr der Menge leerer Augustiner-Flaschen auf der Leopoldstraße nach einem gewonnen WM-Fußballturnier.

Irgendwann kam ich in einer winzigen Ortschaft an, mit einer seltsam anmutenden 80-Oktan-Zapfsäule, einem Magazin und ein halbes Dutzend kleiner Häuser die als Mini-Restaurants, Reifenservice und mechanische Werkstatt den geschundenen Truckern notwendige Dienstleistungen anboten. Hier tankte ich sowohl Benzin, als auch einen Energiedrink und besorgte mir etwas zu Essen für den Abend. Ob die Straße gleich danach besser wurde, oder nochmals eine Offroad-Einlage forderte, hab ich nicht mehr in meiner Erinnerung. Nur das, dass am späten Nachmittag in Bayankhongor bezogene Hotel der untersten Kategorie zuzuordnen war, habe ich mir gemerkt. Aber im eigenen Schlafsack hält man so etwas auch aus.

27. Juni 2019

Die ganze Nacht haben eine fast leere Batterie eines Rauchmelders einen regelmäßigen lauten Piep-Ton und außerdem laut feiernde andere Bewohner dafür gesorgt, dass ich nicht wirklich ausgeschlafen war. Und es gab nicht einmal ein Frühstück. Wie ich das leiden mag!

Und zu allem Übel führte nach wenigen Kilometer wieder eine Baustellenumfahrung zunächst auf eine lehmige Ersatzpiste. Doch ich weiß nicht wann und wie, aber plötzlich befand ich mich auf einer alten Route, die schon lange nicht mehr vom Schwerlastverkehr befahren wurde. Der leicht sandige Boden war ohne Waschbrett schön eben und ließ ein Gefühl aufkommen, als würde man auf Watte dahin rollen. Herrlich!

Ich erkannte auf meiner Navigation genau wo ich mich befand und dass mir auf dieser Route nichts passieren konnte. Am Horizont zwischen zwei Hügeln erkannte ich auch die neue Schnellstraße, der ich langsam näher kam. Aber bis dahin genoss ich die Fahrt in der endlosen Weite. Es ging vorbei an einer Kamelherde und wilden Pferden. Einfach wunderschön dieser Morgen, diese Landschaft, diese Mongolei.

Auf der neuen hervorragend geteerten Trasse konnte ich endlich wieder Kilometer machen. Ich passierte zahlreiche Hügel, die den vielen Raubvögel hervorragende Bedingungen zum soren im Hangaufwind gaben. Dann erkannte ich an einem hohen und steilen Hügel mindestens ein dutzend riesiger Mönchsgeier, die sichtbaren Spaß im starken Aufwind hatten. Ich hielt an, um einige Fotos von diesen schönen Tieren zu schießen. Das sind die Momente, wo ich mir ein hochauflösende Spiegelreflex- oder Systemkamera mit gutem Objektiv wünsche. Die kleine Sony reicht dann doch nur für Schnappschüsse.

Mit viel Glück führte mich die Route genau zwischen zwei Gewitterzellen hindurch, die in der bereits tiefer stehenden Nachmittagssonne imposante Wolkenbilder am Himmel zeichneten. Und wie immer beschäftigte mich die Frage, wo werde ich heute übernachten. Noch einmal so ein Hotel wie gestern Abend sollte es jedenfalls nicht sein. Dann erkannte ich nach einer Anhöhe tief unten im Tal eine lang gestreckte Dünenformation, entlang derer es laut meiner Navigation auch zahlreiche Camps geben soll. Dann sah ich eine große Kamelherde vor diesen Dünen und einem kleinen Jurten-Camp stehen. Das gefällt mir!

Ich hielt neben der Kamelherde an und weckte gleich die Aufmerksamkeit der noch jungen Kameltreiber, die auf Kundschaft warteten. Wer möchte nicht einmal gerne auf einem Kamel über Sanddünen reiten? Natürlich gegen Bares? Ich... möchte das nicht ;-) Meine Einschätzung den Jungs gegenüber war aber nicht ganz korrekt. Die hatten viel mehr Interesse an meiner Triumph. Es dauerte keine Minute, da sprangen die Jungs von Ihren Kamelen gleich auf die Triumph um Selfies zu schießen. Da fiel mir doch gleich ein heißer Tipp aus einem anderen Reiseblog ein: Immer sofort den Zündschlüssel abziehen. Der Mongole im Allgemeinen fragt nicht nach Besitztümern, er probiert ohne zu Fragen aus. Und natürlich kam prompt die Frage nach dem Zündschlüssel. Nein, nein, den gibt es nicht!

Dann wurde mir ein Platz in einer der Jurten angeboten. Jo mei, warum nicht?! Das Übernachtungsproblem wäre somit gelöst und schließlich gehört das Schlafen in einer Jurte zur Mongolei, wie für München ein Besuch im Biergarten.

Vor einem dieser Zelte qualmte ein Grill mit zahlreichen Fleischspießen darauf. Es kommt nicht oft vor, aber der Geruch von diesem Grillfleisch regte meinen Appetitt an. Kaum hatte ich meine Sachen vom Motorrad in meine Jurte verfrachtet erhielt ich eine Einladung der benachbarten mongolischen Familie, doch einen Fleischspieß mit zu essen. Mir scheint, als hätten die den Braten gerochen!

Was nun folgte zähle ich zu einem meiner Highlights während der Reise. Ich war Gast einer mongolischen Großfamilie die Ihrer Oma zum 80ten Geburtstag eine Reise durchs eigene Land geschenkt hatten und nun diesen Geburtstag nach feierten. Es gab reichlich Fleisch, Salate, Kuchen und wie es sich gehört Wodka. Mich versuchte der Familienvater gleich damit abzufüllen. Ich bestand allerdings darauf, dass er bei jedem Anstoßen auch mit trinkt.

Die Konversation lief über die Jüngste der Mädels, der 18jährigen Tochter. Sie hatte gute Englischkenntnisse und konnte alles übersetzen. Ich erzählte von meiner Reise und was mich dazu bewegt hat und dass man seine Träume erfüllen muss, bevor es zu spät ist. Große Zustimmung erhielt ich von der Oma per Applaus.

Dann wurden die jüngeren Familienmitglieder aktiv und wir fuhren mit einem der Toyota Land-Cruiser direkt zu den Sanddünen. Es war wie damals, in der siebten Klasse auf Wangerooge. Wir veranstalteten Rennen beim Dünen Erklimmen, sprangen stets in die Tiefe, zeichneten Bilder in den Sand, wir waren außer Rand und Band. Für meine Verhältnisse hatte ich mich somit bereits ausgetobt. Doch dann ging es wieder zurück und vor den Jurten wurde Volleyball gespielt. Ich bin mir nicht sicher, ob es auffiel, dass ich kein Ballgefühl hab, aber ich durfte bis zum Ende mitspielen :D. Es war ein wirklich schöner Tag mit wunderschönen Begegnungen und Bildern die in Erinnerung bleiben.

28. Juni 2019

Dafür war die Nacht in der Jurte alles andere als erholsam. Hundegebell die ganze Zeit, ein zu kurzes Bett und Bauchgrummeln, dafür aber keine Toilette im Camp. Und dann am frühen Morgen dieses unschöne Geräusch von viel Wind und Regen am Außenzelt. Naja, man kann ja nicht immer alles haben. Die mongolischen Nachbarn waren bereits ausgezogen und fertig zur Abfahrt. Ich bedankte mich noch einmal herzlich für deren Einladung und den schönen Abend.

Es war frisch draußen. Der Einsatz meiner regenfesten Innenschichten im Motorradkombi war sicher keine falsche Entscheidung. Bis Ulaanbaatar sollte es aber hoffentlich nicht so weiter regnen und tat es auch nicht. Die letzten 290km bis zu Hauptstadt verliefen unspektakulär, wenn auch die schlechten Straßen vor einer Landeshauptstadt ein wenig überraschend sind. Aber das ist eben die Mongolei. Den Verkehr durch Ulaanbaatar kann ich nur so beschreiben: katastrophal - nichts geht!

Endlich im Oasis Guesthouse, dem Treffpunkt für Traveller aus aller Welt angekommen, lernte ich schnell Jörg und Helmut aus Garmisch und Wim aus Holland kennen. Wim und ich freundeten uns recht schnell an. Wir verstanden uns auf Anhieb und nahmen das Geschehen um uns herum stets mit Humor und nicht so spießig ernst wie so manch andere Zeitgenossen auf meiner Reise. Von der ersten Minute fühlte ich mich im Oasis wie zu Hause. Das Team, die Lage, das Essen, die Gäste - alles wunderbar.

29. Juni 2019

Den Regen hab ich wohl aus dem Jurten-Camp mitgebracht. Auch an diesem Morgen waren die Straßen nass und es bildeten sich überall große Pfützen. In einer kurzen Regenpause machten sich Jörg auf einer Yamaha Tenere 600 und Wim auf seiner Kawasaki KLR650 startklar und wir fuhren trotz der tief hängenden Wolken zur Riverside-Lodge.

Rene aus Österreich hat vor Jahren zusammen mit seiner Frau das Oasis-Guesthouse ins Leben gerufen und mit zahlreichen tollen Angeboten schnell alle Reisenden überzeugt. Nach einer Trennung und Verkauf des Oasis startete er mit der Riverside-Lodge ein paar Jahre später ein neues Projekt in UB

Dies ist nun die zweite Anlaufstelle für Reisende. Die Lage der Riverside-Lodge ist mehr in der Natur eingebunden und wie der Name schon sagt, in Sichtweite zum Fluss der durch UB führt. Der Vorteil der schöneren Lage ist aber auch gleich ein Nachteil. Die Riverside-Lodge ist fußläufig zu weit weg von den Möglichkeiten die die Großstadt bietet.

Nach netten Gesprächen mit Rene und einer sehr leckeren Pizza warteten wir nur noch die Regenschauer ab und fuhren wieder zurück ins Oasis.

30. Juni 2019

Nun begannen ein paar sehr schöne erholsame Tage. Es gab zahlreiche Wiedersehen mit bekannten Gesichtern. So mit dem Argentinier Martin und seiner KTM oder mit den 3 GS-Fahrern Franz, Konrad und Helmut. In meinem 6-Bett-Zimmer war eine Gruppe aus England zusammen mit dem Youtube-Star Ed March untergebracht, die unter seiner Leitung eine mehrtägige Motorradtour starten werden. Aber auch andere Reisende mit ihren unterschiedlichsten Wohnmobilen gehörten nun alle zur großen Familie. Es wurde viel geredet, gegessen, getrunken, Musik gemacht und gelacht. Und geschraubt.

01. Juli 2019

Die Wetterlage war wieder gut, die Regenpfützen versickert und verdampft, doch
ich war noch nicht am Ziel meiner Reise! Es gab da doch noch eine offene Rechnung mit einem alten Krieger! Heute sollte es so weit sein! Heute werde ich ihm aufs Dach steigen und ihm was vom Münchner Friedensengel erzählen, dem Dschingis Khan.

Mit Wim dort hin zu fahren, war mir eine Freude. Auch wenn das ca. 40km weiter östlich vom Oasis gelegene Reiterstandbild Dschingis-Khan wieder einmal nur über eine schlimme Baustellenumfahrung erreichbar war, hatten wir unseren Spaß beim Fahren.

Noch bevor wir das erst 2008 eingeweihte und rund 250 Tonnen schwere Monument erblickten, entdeckte ich am Straßenrand eine andere Attraktion. Ich liebe Raubvögel, am liebsten frei fliegend, aber einmal eines dieser schönen Tiere hier in der Mongolei auf meinem Arm zu tragen, war mein insgeheimer Wunsch. Eine Gruppe mongolischer Frauen in Trachten, eine Kamelherde, kleine Kunststände, sowie bereits als Jungtiere aufgepäppelte und gezähmte Adler und ein nach dem Bartgeier zweitgrößten Greifvogel Europas, ein Mönchsgeier mit einer Flügelspannweite von über 2,50m waren hier zu bestaunen. Ich ließ mich nicht lange bitten und schon hatte ich den Lederhandschuh an und der riesige Vogel stieg auf meinen Arm. Wau! Mehr sog i net!

Schöne Fotos entstanden an diesem Platz und dann ging es weiter. Über mehrere Hügel führte uns die Straße und dann kam dieses gigantische Edelstahl-Gebilde zum Vorschein. Mein gestecktes Ziel in Sichtweite! Mir stieg ein Tränchen ins Auge.

Am Abend feierten wir mein Bergfest angemessen.

Nun hatte ich 8 Tage Zeit, bis mich mein Schatzi für 10 Tage besuchen kommt. Über diese schöne Zeit während des Nadam-Festes und über meine erlebnisreiche Rückreise durch Sibirien und dem Ural berichte ich beim nächsten Mal. Bis bald ...