30. Mai 2019
Es war bereits später Nachmittag als wir am Kyzyl-Art-Pass den Grenzübertritt von Tadschikistan nach Kirgisistan mit all seinen Formalitäten überstanden hatten. Nun lagen nur noch rund 45km geteerte Straße vor uns, die meist schnurgerade über eine ausgedehnte Flusslandschaft nach Sary Tash (= gelber Stein) führte. Doch schnurgerade auf diesen Straßen bedeutet nicht gemütliches dahingleiten, sondern wieder einmal wachsam alle Schlaglöcher umzirkeln.
Dunkle Wolken hingen über den Bergen von Sary Tash. Sollten wir doch noch naß werden? Zum Glück waren es abziehende Gewitterwolken und wir erreichten Sary Tash ohne einen Tropfen abzubekommen. Nachdem der Teilabschnitt des Pamir-Highways von Osh in Kirgisistan bis Chorugh in Tadschikistan in den frühen 50er Jahren fertiggestellt wurde, gründete man diesen kleinen Ort um von dort aus diese wichtige Route und bei den vorherrschend rauen Bedingungen stets instandzuhalten.
Nach der anstrengenden Pamir-Überquerung, mit den beiden über 4300m+ Passhöhen, freuten wir uns endlich auf tieferer Gefilde mit mehr Sauerstoff und wärmeren Temperaturen, doch Sary Tash lag immer noch auf 3170m und es war bei unserer Ankunft recht frisch. Das temporäre Japsen nach Luft ging also weiter.
Gerne hätten wir eine Unterkunft mit Dusche und WC und warmer Mahlzeit gehabt. Nach einer kurzen Irrfahrt über unbefestigte und vermüllte Gassen der Ortschaft, um ein empfohlenes Guesthouse ausfindig zu machen, leider vergeblich, fanden wir direkt an der Hauptstraße ein adäquates Angebot. Es nannte sich das Cafe Akun Guesthouse und warb mit kostenlosem WiFi. sowas zieht bei uns immer :-)
Die Gastgeberin und augenscheinlich hauptberufliche Landwirtin, zu erkennen an den schmutzigen Gummistiefeln, öffnete das große Tor zum Innenhof und gleichzeitig mit zwei polnischen Motorradfahrern kehrten wir im Guesthouse ein. Die beiden Polen bezogen ein normales Gästezimmer mit Betten. Wir hingegen, nahmen das einzig verbleibende aber dafür noch günstigere Matratzenlager. Wo ist bzw. worin liegt der Unterschied? Ganz einfach, statt einem Bettgestell, liegt die Matratze direkt auf dem Boden. Während man schläft spürt man allerdings keinen Unterschied.
Der restliche Komfort, naja! Der war gewöhnungsbedürftig, aber wir mussten uns ja nicht daran gewöhnen, wir blieben nur eine Nacht :-) Die Toilette befand sich im Verbindungstrakt zwischen Kuhstall und Wohnhaus und bestand aus einem gemauerten und strahlend blau gestrichenem Kämmerchen. Im Fußboden befand sich ein großes drei(dr)eckiges Loch fürs große und kleine Geschäft. Auf der gegenüber liegenden Seite des Innenhofes stand ein weiteres kleines Gebäude in dem sich eine durchaus akzeptable Dusche und auch ein Sitzklo befand. Allerdings war das Klo mit Tape zu geklebt und außer Betrieb gesetzt - vermutlich mangels Spülwasser oder verstopftem Rohr zur Sickergrube.
Das mit einem kleinen Lebensmittelladen kombinierte Restaurant befand sich praktischerweise zur Straßenseite hin. Die Speisekarte wies die üblichen Zwiebelverdächtigen, fettingen und fleischlastigen Speisen auf. Irgendwie wurde ich aber trotzdem satt.
31. Mai 2019
Ich wachte bereits vor dem Sonnenaufgang auf und traf vorm Haus auf den Bauern des Hofes. Er trieb gerade die Kühe aus dem Stall. Er hielt trotzdem kurz an und begrüßte mich mit seinem breiten mongolischen Gesicht mit roten Wangen und einem strahlenden Lächeln, bestehend aus vier glänzenden Goldzähnen. Mit den hohen schneebedeckten Bergen im Hintergrund, den Kühen im Vordergrund, war dies ein wildromantisches Bild was sich mir einbrannte. Beim nächsten kleinen Geschäft nehme ich meine Kamera mit, das hatte ich mir da geschworen :-)
Nachdem dann meine Kollegen auch aus ihren Träumen erwacht und sich frisch gemacht hatten, gab es noch ein einfaches Frühstück mit dem üblichen öligen Spiegelei, etwas trockenes Brot und nicht entkernte Kirschen-Marmelade, dazu Nescafe. Sonderwünsche wurden allerdings prompt umgesetzt.
Zum Abschluss wurden wir von den Mädels hinter der Theke per Smartphone fotografiert und wen wunderts (?) wer jetzt auf GoogleMap nach Cafe Akun Guesthouse sucht (hier klicken)
und sich die Fotos anschaut, wird bekannte Gesichter entdecken ;-)
Unser heutiges Ziel war die 190km entfernte Stadt Osh. Im Vorfeld hatte ich bereits viel positives über die Landschaft und die Menschen Kirgisistans gehört. Mit jedem Kilometer wurde es auch, wie von vielen Reisenden beschrieben immer grüner, wärmer und schöner. Ich hätte gerne ein paar mehr Fotos geschossen, aber die Jungs eilten vorne weg, ohne an den wirklich schönen Motiven zu stoppen.
Oberhalb einer Serpentinen-Abfahrt hielt ich dann mit Ankündigung an, um die beiden in den Kehren von oben zu fotografieren. Es dauerte einige Zeit, bis sie hinter dem ersten großen Felsvorsprung auftauchten und ich den Auslöser drücken konnte.
Plötzlich spürte ich wieder ein grummeln und Krämpfe in meinem Bauch - oh je! Wie schon am Vortag, auf dem Weg zum höchsten Pass, ein Verdauungsproblem. Ich sollte unbedingt diese öligen Spiegeleier zum Frühstück auslassen. Ich schwang mich sofort auf die Triumph und hetzte hinter den beiden her. In Jeder Kehre gab es allerdings scharfkantige Teer-Überlappungen und Schlaglöcher. Also Eile mit Weile bei höchster Vorsicht war geboten. Trotz sportlicher Fahrt, konnte ich die beiden erst am Ende der Serpentine einholen und teilte unmittelbar in Reichweite unseres Sena-Systems mein erneutes Problem mit. Zum Glück war entlang der Straße eine steinige Böschung und dahinter ein Bachlauf mit reichlich vielen Büschen. The same procedure as last day! Und schon ging es mir wieder besser.
Ein faszinierendes Bild bot sich uns auf einem abschüssigen Streckenabschnitt, an dessem Anfang wir zufällig einen Stopp einlegten um eine von einem berittenem Hirten geführte Pferdeherde zu fotografieren. Diese Herde umfasste vielleicht rund 10 bis 15 schöne, mittelgroße und schlanke Gäule. Aber beim Blick ans Ende der langen Geraden wuchs von rechts aus der Kurve langsam eine dunkle Masse hunderter Pferde, gefolgt von mindestens der doppelten Menge an Schafen. Diese wurden alle von mehren Reitern getrieben und geführt.
Dieser Viehtrieb war einer von sehr vielen, welche uns auf der gesamten Strecke begegneten. Aber es war mit Abstand der mit der höchsten Anzahl an Tieren, dies aber ganz zum Leidwesen der nachfolgenden und laut hupenden Trucks. Sie bekamen nur schwerlich Platz zum Überholen und mussten lange Zeit im Schritttempo zwischen den Tieren mitfahren.
Weiter ging es in Richtung Osh. Mein Plan war es, bei ZORRO MOTO des Schweizers David Fuchser meine neuen Reifen aufziehen zu lassen. Vor einigen Tagen hatte ich die neuen Heidenau-Reifen bereits online reservieren lassen. Ralf navigierte uns wie immer souverän zur eingetragenen Koordinate des Ladens. Über einige unbefestigte und sehr staubige Straßen folgten wir ihm bis an den Stadtrand von Osh.
In einer vorgelagerten Geschäftsstraße sollte sich ZORRO MOTO befinden. Aber genau auf dieser Koordinate stand ein relativ neuer Getränkehandel. Mir viel ein, dass ich einmal auf der Webseite www.zorromoto.com etwas von einem geplanten Umzug gelesen hatte und so erkundigte ich mich einfach in dem Getränkemarkt. Die Jungs wussten sofort Bescheid und zogen einen Handzettel unter der Theke hervor mit allen wichtigen Infos, inklusive der Koordinaten fürs GPS. Na also - geht doch! Die neue Werkstatt war nach einer Schleife durchs Stadtzentrum schnell gefunden.
Der Schweizer David Fuchser - kurz Dave - lebt seit einigen Jahren in Osh in Kirgisistan und arbeitete lange Zeit für MuzToo. Nach der Trennung 2017 zog er unter dem Label ZORRO MOTO eine eigene Service-Werkstatt für Motorradreisende auf. Schnell erarbeitete er sich einen guten Ruf und setzte mit dem Generalvertrieb für Heidenau-Reifen einen genialen Schachzug. Dave bot mir an, alle Wartungsarbeiten selbst vornehmen zu dürfen, inklusive Motorradwäsche und Werkzeugverleih. Dafür erhob er eine kleine Kostenpauschale. Anschließend würde er dann meine neuen Pneus aufzuziehen. Auch Klaus und Ralf planten für den nächsten Tag einiges an ihren Mopeds zu schrauben. Wir verabredeten uns also für den nächsten Morgen und Dave gab uns noch einen guten Tipp für eine Unterkunft.
Das TES Hotel war mit 26Dollar die Nacht alles andere als günstig, aber ansonsten sehr gut, ruhig, bequem, angenehm und ein guter Platz zum Relaxen. Ich hatte noch einiges zu waschen und meine Kollegen wollten erst einmal eine SIM-Karte für Kirgisistan besorgen und danach etwas essen gehen. Ich blieb mit Ausnahme eines kleinen Rundgangs im Hotel.
01. Juni 2019 - Ausgebremst!
Was für ein Tag! Da denkt man, wenn die neuen Reifen aufgezogen sind, ist wieder alles gut. Aber Pustekuchen! Geplant war neben dem Reifenwechsel auch eine Luftfilterreinigung und gegebenenfalls ein Ölwechsel. Als wir in den Innenhof der Werkstatt einfuhren, standen dort bereits drei Hard-Enduros mit gelben NL-Kennzeichen. Na die kennen wir doch! Wieder einmal einer dieser Zufälle! Die Jungs hatten anscheinend genug Plattfüße gesammelt und wollten dieses Problem mit neuer Bereifung endlich in den Griff bekommen.
Bevor ich mit dem Schrauben begann, nutze ich noch den kleinen chinesischen Dampfstrahler um die Engländerin etwas vom staubig, schlammigen Ballast zu befreien. Anschließend wurde der Bremssattel ausgehängt und das Hinterrad ausgebaut.
Uppss! Schreck lass nach! Hinten war kaum mehr ein Bremsbelag erkennbar! Und diese Ersatzteile hatte ich nicht im Gepäck! Nun war guter Rat teuer. Doch erst brachte ich das Hinterrad in die Montagewerkstatt und kümmerte mich um den Ausbau und Reinigung des völlig zugesetzten Luftfilters.
Bisher war ich irrtümlicher Weise davon ausgegangen, dass Bremsbeläge Modellabhängig geordert werden müssen. Dass die Motorrad-Hersteller in der Regel auf die Serienprodukte der Bremsen-Hersteller zurück greifen, kam mir nicht in den Sinn. Somit war die Suche nach Bremsbeläge für eine Triumph Street Scrambler Baujahr 2017 in Kirgisistan oder im benachbarten Kasachstan wenig zielführend. Ich sah mich schon auf dem Weg zum nächsten offiziellen Triumph-Händler ins 2900km entfernte Novosibirsk fahren, um dort neue Bremsbeläge zu bekommen.
Dave hatte aber einen anderen Tipp. In Osh würde es jemanden geben, der Bremsbeläge neu aufbringen kann. Methoden gibt es dazu verschiedene: heiß aufbacken, quasi kleben, oder mit Alu- oder besser Kupfernieten zu verbinden. Doch nach einigen Telefonaten, war dieser Spezialist nicht auffindbar. Es gab dann noch ein Hinweis auf einen zweiten Spezialisten in Osh. Kurz darauf saß ein Angestellter von Dave auf einem Scooter und brachte diesem Menschen meine heruntergefahrenen Bremsbeläge. Auf der bereinigten Trägerplatte sollten dann das neue Material aufgebracht werden. Abends würden mir die Beläge dann ins TES-Hotel gebracht werden.
Mittlerweile war mein Hinterreifen aufgezogen und das Rad ohne Bremse wieder eingebaut. Bis zum Hotel musste ich einfach mal ohne Hinterradbremse auskommen. Damit der Fußhebel auch nicht aus Reflex betätigt wird, wurde dieser mit einem Zurrgurt blockiert.
Mein Vorderreifen hatte trotz der 12.000 km Laufleistung kaum an Profiltiefe verloren, so verzichtete ich auf eine Neubereifung. Für Dave war dies kein Problem. Klaus und Ralf waren mit dem heutigen Tag zufrieden. Sie hatten soweit alles geplante reparieren können. Doch im letzten Moment, Dave war schon im Feierabend-Modus, stellte Ralf erneut einen Bruch seines Kofferträgers an der BMW fest. Nach einer weiteren halben Stunde war diese Schwachstelle auch wieder ordentlich geschweißt und wir konnten uns endlich verabschieden.
Noch vor 19:00Uhr wurden mir die neu bestückten Bremsbeläge ins Hotel gebracht. Gekostet hat das ganze nur knapp 12Euro. Die anfängliche Freude darüber schlug aber schnell ins Umgekehrte um. So ein Murks! Mit 8mm fetten Stahlnieten wurden grob zurecht geschnitzte Beläge auf dem Träger aufgenietet. So kann man das für eine LKW-Bremse machen, nicht für meine kleine Engländerin! An manchen Stellen bedeckte nicht einmal 1mm Belag die Stahlniete. Die Zerstörung der Bremsscheibe war also vorprogrammiert. Frust! Also begann erneut die Recherche! Den Einbau(versuch) verschob ich auf den nächsten Morgen. Es sollte ohnehin regnen.
Solche Tage wie dieser, werden meist von so vielen Parallel-Storys begleitet, die mir noch gut in Erinnerung geblieben sind. Diese aber hier im Detail nieder zu schreiben würde den Rahmen sprengen, dennoch Peter und Anja! Der Abbruch Eurer Weltreise nach fast einem Jahr Frust durch Technikprobleme mit Eurem einzigartig, monströsen und selbst zum Wohnmobil umgebauten Steyr-Truck tat mir für Euch Leid. Noch habt ihr einen weiten Weg, bis ihr wieder in Deutschland seid. Vielleicht findet sich unterwegs noch DIE Lösung! Eventuell ein URAL-Gespann, dann hätte der Hund auch einen Platz ;-) Und wenn nicht, setzt euch wieder auf 2 Räder, motorisiert oder nicht! Das hat früher doch auch geklappt!
02. Juni 2019
Ich fasse mich kurz: Einen halben Tag versuchte ich die verkorksten Bremsbeläge einzuschleifen, so dass diese wenigsten ein wenig Freilauf des Hinterrads ermöglichen. Die Beläge waren mindestens 1mm dicker als neue Originale! Das Hinterrad drehte sich nur widerwillig. Die Bremsscheibe heizte sich durch die Reibung beim Fahren auf. Aber es blieb ein Kompromiss zwischen ein wenig mehr Bremswirkung im Notfall, einer aufgeheizten Scheibe, erhöhtem Spritverbrauch und schlimmsten Fall eine Stahlniete gräbt sich in die Bremsscheibe.
Bei meiner anschließenden Internetrecherche nach neuem Ersatz bin ich auf die von vielen Reisenden empfohlene Motorradwerkstatt Freerider in Almaty gestoßen. In deren Onlineshop wurden jede Menge verschiedener Bremspads angeboten. Darunter auch baugleiche Pads wie ich sie benötige. Eine erste Anfrage wurde per Mail gesendet. Sollte das die Lösung sein?
Der restliche Tag war mit Essen und Trinken kein Highlight aber gemütlich!
03. Juni 2019
Unabhängig von meinem Bremsenproblem war unser nächstes geplantes Ziel Bischkek. Einerseits bot diese Stadt eine eigene Bierbrauerei, in die wir gerne mal vorbeischauen wollten und es war für Ralf und Klaus ein guter Ausgangspunkt, um von dort aus an den zweitgrößten Gebirgssee der Erde Yssykköl zu fahren. Dort wollten wir ursprünglich gemeinsam in einem Jurtencamp übernachten. Doch mein Plan sah nun gezwungener Maßen anders aus und von Bischkek war es nur noch ein Katzensprung bis Almaty.
Auf den ersten Kilometern hielt ich immer wieder an, um die Hitzeentwicklung meiner hinteren Bremsscheibe zu überprüfen. Ich fand diese allerdings noch in einem vertretbaren Bereich. Aufgespritztes Wasser lies zwar gleich Dunstwolken aufsteigen, aber kein intensiv sprudelnd kochendes Wasser erkennen. Also bewegte sich die Scheibe in einem Bereich von 90 bis 100Grad. Die Fahrt konnte also fortgesetzt werden. Den rechten Fuß drehte ich entspannt vom Bremshebel. Die Bremsarbeit übernahm nun mein linker Fuß, der die Gänge schön mit Zwischengas beim Bremsvorgang herunterschaltete um die Motorbremse voll auszunutzen.
Warum ich das so detailliert schreibe? Die erste Hälfte der Strecke nach Bischkek war trotz einer heftigen Gewitterschauer ein Traum. Zunächst führte die Route noch über mäßige Straßen und durch langgezogene Ortschaften. Wir fuhren wie üblich mit verhaltener Geschwindigkeit, so dass uns auch eine größere Motorradgruppe überholte. Nach einem leckeren Imbiss am Straßenrand und einer kurzen Unterhaltung mit einem Franzosen auf einer BMW GS1200 ging es weiter.
Nun folgte ein Traum über eine perfekt geteerte, sehr kurvenreiche und landschaftlich schöne Bergwelt. Wir ließen unsere Böcke endlich mal richtig flott laufen und entsprechend der aufheulenden Motordrehzahlen vor Kurven, begleitet von einigen Fehlzündungen fühlte ich mich nicht gerade wie auf einer schwer bepackten Reisemaschine, eher wie auf einer historischen 4-Takter Rennmaschine.
Aber auch dieser Spaß ging leider vorbei und unsere Zwischenlandung erfolgte in einer kleinen Ortschaft namens Totokul. Wir wählten eines der seltsamen Unterkünfte mit ebenso seltsamen Bedienungen und seltsamen Preisvorstellungen. Aber mittlerweile sind wir Profis und können viele Ungereimtheiten gerade rücken. Klar sind die Menschen geschäftstüchtig und versuchen es wo es geht, aber immer seltener mit uns :-)
04. Juni 2019
Aufwachen, Frühstücken, Zähne putzen, Packen, Anlasserknopf drücken und ein erneuter Start in den Tag war bei Sonnenschein und vollen Tanks erfolgversprechend!
Nach wenigen Kilometern näherten wir uns erneut einer Bergkette, deren Gipfel mit dunklen Regenwolken umgarnt wurden. Mit jedem Höhenmeter wurde es deutlich kühler. Ich nutzte die zwangsweise Langsamfahrt aufgrund einer uns entgegenkommenden Pferdeherde um rechts ran zu fahren und um mir meine Thermojacke unterzuziehen und die Regenjacke überzustreifen. Eine gute Entscheidung! Denn die Regenschlieren kamen uns bereits entgegen und die dahinterliegenden Berge waren schon nicht mehr zu erkennen. Außerdem standen uns erneut 2 hohe Passüberquerungen mit jeweils 3200m und 3400m bevor. Trotz der Wetterbedingungen, machte es uns großen Spaß. Diesmal war es sogar Ralf der den Ton angab. Er sang über unsere SENA-System ein Loblied auf seine GS800 und gab der über 20Jahre alten Gummikuh so richtig die Sporen. Da war sogar meine 2 Jahre alte Triumph gefordert, um hinten dran zu bleiben, allerdings ohne Hinterradbremse auch ein wenig gehandicapt. Die Landschaft zwischen den beiden Passstraßen gab uns bereits einen Vorgeschmack auf die Mongolei.
Auf einer riesigen Ebene standen verstreut überall Jurten-Camps und rundum große Herden, mal Schafe, mal Rinder und immer wieder Pferde. Ich hatte den Eindruck, dass die dort im Sommer lebenden Familien die Viehhaltung einerseits als Erwerb Ihres Lebensunterhalts brauchen, aber das Leben hier oben auch ein wenig wie einen Sommercamp-Urlaub empfinden.
Soviele Kinder sahen wir spielend um die Jurten herum laufend, Mütter die an offenen Lagerfeuern das Essen zubereiteten und Männer auf Ihren Pferden die Herden zusammenhielten und alle samt fröhlich und die Kinder ganz wild jeden Motorrad-Reisenden zu winkten. Ein schönes Gefühl der absoluten Freiheit erfasste uns. Am Ende dieser Ebene, bevor es nach Norden wieder in die Berge ging, waren unzählige kleine Stände rechts und links der Straße aufgebaut. Es wurden allerlei Produkte aus eigener Produktion angeboten und zahlreiche Durchreisende und Pendler hielten dort an um die Dinge zu kaufen.
Durch den einsetzenden Starkregen auf der nun folgende Passfahrt, bei der uns auf der Passhöhe erneut ein langer Tunnel und danach eine steile, kurvenreiche Abfahrt erwartete, war kein wirkliches Vergnügen mehr. Auf der Höhe von rund 3000 Metern war die Sicht alles andere als gut und vor den engen Kehren reichte meine Motorbremse kaum noch aus, so dass die wenig wirkende Hinterradbremse doch noch betätigt werden musste. Über 1500 Höhenmeter ging es nun bergab.
Die Landschaft, die sich langsam von unwirtlich, kargen und riesigen Felswänden hin zur grünen alpenländisch anmutenden Gegend veränderte, übte eine Faszination auf uns aber auch zu Schweißausbrüchen! Schließlich waren wir noch in unserer Regenkluft und hatten innerhalb einer knappen Stunde einen Temperaturanstieg von 4Grad auf 32Grad bei Sonnenschein auszuhalten. In der ersten Ortschaft nach der Passabfahrt entledigten wir uns dann unserer überflüssigen Kleidung und wurden gleich von einer Horde fröhlicher Kinder begrüßt. Hach! Ist das alles schön :-)
Im letzten Hotel bekamen Klaus und Ralf einen Tipp für eine Umfahrung einer ewig langen Baustelle auf der Hauptstraße nach Bischkek. Als wir uns nach dieser 30km Umfahrung doch noch auf den letzten Kilometern vor Bischkek auf dieser chaotischen Baustelle und im dicksten Feierabendverkehr wiederfanden, wussten wir diesen Tipp als Goldwert einzuschätzen.
In Bischkek und im Dauerstau angekommen, fanden wir die Straße in der sich unser Hostel befinden relativ schnell. Nur die Koordinate im GPS stimmte nicht mit der Hausnummer überein. Nach ein wenig Suche kamen wir dann doch erschöpft und froh am Hostel & Café Tavi an. Und wie es sich für traditionsbewusste Motorradfahrer gehört, gab es noch vor dem Einchecken auf einer hübschen Café-Terasse ein, wie sollte es anders sein (?) ein kühles Bierchen.
Nach einer kurzen Dusch- und Ruhephase auf unserem Zimmer, brachen wir schließlich per Taxi zu unserer letzten Tagesetappe auf, dem bekannten Brauhaus Steinbräu in Bischkek. Es ist schon witzig zu sehen wie in vielen Ländern, wie auch hier in Kirgisistan, versucht wird die bayerische Bierkultur zu kopieren. Das Steinbräu in Halbliter-Krügen war recht süffig. Das Essen, wie auch in Bayern, fleischlastig! Ich hätte mir einen Kaiserschmarrn auf der Speisekarte gewünscht. Aber man kann ja nicht alles haben :-)
05. Juni 2019
Um 5:58Uhr in der Früh wachte ich bereits auf und konnte kein Auge mehr zu machen. Ich wollte unbedingt vor der einsetzenden Rushhour aus Bischkek verschwinden. Schließlich ist Bischkek die Hauptstadt Kirgisistans und bildet auch den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt des Landes. Entsprechend zäh kann hier der Verkehr in allen Gassen sein.
Also schlich ich mich leise aus unserem 3er Hostelzimmer, nahm vorher alle Gepäckstücke mit in den Flur und verschwand im Bad fürs morgendliche Ritual. Keine 30 Minuten später saß ich wieder auf der kleinen Engländerin, allerdings noch ohne Frühstück. Früher als gewöhnlich blinkte auch gleich die Reserveleuchte auf. Die blöden schleifenden Bremsen machten sich sogar bei den Verbrauchswerten bemerkbar. Hoffentlich werde ich bei Freerider in Almaty eine Lösung finden.
Verkehrstechnisch waren die Straßen zum Glück noch nahezu wie leergefegt. Die Fahrt durch die Hauptstadt Kirgisistans verlief zügig. Allerdings dachte ich erst, dass für die kirgisische Bäckerinnung eine Großveranstaltung in Bischkek stattfinden würde. So viele Männer in langen weißen Gewändern und in kleinen und großen Gruppen liefen alle in eine Richtung. Links und rechts der Straßen waren im Abstand von kaum mehr als 10 Metern im Spalier zig Soldaten postiert. Dann viel der Groschen! Das muss alles mit dem Ende des Ramadan zu tun haben, der am Abend des 04. Juni endete und die Bäcker entpuppten sich als Gläubige die auf dem Weg in ihre Moschee waren. Und davon gibt es in Bischkek zwei ganz große. Die größte Moschee Kirgisistans ist die Bischkek Central Mosque und eine weiter die Zentralmoschee Bischkek. So war ich froh auf dieser frühen Fahrt auch noch gleichzeitig eine kleine Sightseeingtour genießen zu können.
Nach einem kurzen Tankstopp und nach wenigen Kilometern erreichte ich die Grenze zu Kasachstan. Dies war nun bereits meine 3 Einreise nach Kasachstan und an der Grenze verlief alles reibungslos. Ein weißer, kasachischer Monster-Lexus-SUV stand in der Schlange hinter mir. Als jeder Einreisende an einem Schalter einen kleinen Zettel mit Namen, Wohnort und Grund der Einreise ausfüllen musste, sprach mich der Lexus-Fahrer, der wie sein Auto ebenfalls eine imposante Erscheinung hatte, auf deutsch an. Er stellte sich mit Ismail vor und erzählte mir, dass er in Kasachstan und Deutschland als Autohändler und manchmal als Immobilienmakler arbeitet, allerdings in Bischkek und in Deutschland bei seiner Familie wohnt. Meine Frage: Wo in Deutschland? beantwortete er mit: Altenkirchen!
Da konnte ich mein breites Grinsen nicht verbergen! Geht die Reise auch mal ohne solch komischer Zufälle weiter?! Denn Altenkirchen liegt in direkter Nachbarschaft zu Siegen, meiner alten Heimatstadt. Und dieser Umstand bot gleich die Gelegenheit für eine weitere Unterhaltung. Wir verabredeten uns nach der Grenzdurchfahrt gemeinsam auf einen Kaffee und kleinem Frühstück in einem der folgenden Tankstellen-Cafés.
Mehr dazu, wenn es bald wieder heißt: Kasachstan 05.06 -...